Ghost in the Shell (2017)

Kommen wir zunächst zur guten Nachricht, ich habe genug Selbstdisziplin, die Leinwand im Kino ist noch intakt.

Vielleicht ist es wichtig zu erwähnen, ich bin kein allzu großer Fan des Originalfilms Ghost in the Shell, die philosophischen Denkanstöße fand ich zwar recht interessant, die Handlung sah ich für einen Film allerdings als ein wenig trocken und das Ende hätte nach/statt den Monologen in der Mitte durchaus ein paar begleitende Worte mehr brauchen können. Wirklich warm geworden mit GitS bin ich mit „Stand Alone Complex“.

Im Wesentlichen hat sich auch eine andere Erkenntnis bei mir manifestiert, Anime als Realverfilmung funktioniert nicht. Stark stilisierte Charaktere und durch flüssige Animation lebendig wirkende Szenarien sehen mit realen Schauspielern und Kulissen, selbst mit CGI Hilfe die aus dem Endprodukt effektiv wieder einen halben Anime machen, nun einmal nicht annährend so beeindruckend aus wie in der animierten Vorlage.

Wir erhalten diese Versuche in grob gesagt zwei Varianten, japanische Studios die meist mit begrenzten Budget ein Produkt auf die Leinwand bringen, dass bestenfalls inhaltlich und darstellerisch nicht völlig vom Original abfällt, ein Beispiel für eine halbwegs gute Adaption wäre hier Death Note, oder die große cash-in Hollywoodvariante die versucht einen bekannten Titel gewinnbringend durch den amerikanischen Filter zu pressen, und letzteres haben wir hier.

Das wäre als Prämisse nicht so wirklich schlimm, wenn Drehbuchautor und Regisseur hier nicht sinnentstellend die gesamte Handlung geändert hätten und dabei auf Originalszenen zur Erhöhung des Wiedererkennungswerts zurückgriffen, die durch das Umschreiben jeglichen Kontext verloren haben und die Gesamthandlung in ein völliges Desaster verwandeln. Man braucht sich nicht um ein Nachstellen von Originalszenen zu bemühen wenn man die Fans des Originals mit allem anderen ohnehin schon unrettbar verärgert, schnallt in Hollywood auch keiner.

Den Hintergrund zum Titel, Geist in einer Hülle wird einem gleich zu Anfang mit dem Holzhammer zugeführt, wohl damit man sich mit dem schwerfälligen philosophischen Teil nicht zu lange befassen muss.

Zumindest hübsch ist der Film, und die Stadt lebhafter als die Protagonistin

Die vielleicht wichtigste Änderung macht den Major zum Prototypen eines vollständig kybernetischen Menschen dessen physisches Gehirn in einen künstlichen Körper verpflanzt wurde. In der eigentlichen GitS Welt ist Cyberisierung allgemein verbreitet, zumindest die Gehirne sind fast bei allen mit leistungsfähigeren Cybergehirnen ausgetauscht worden, inklusive Interface nach außen. Der Geist, die Persönlichkeit selbst wurde hierbei transferiert. Der Major ist hier nicht die erste Vollcyborg, sie ist kein weiblicher Robocop. In jungen Jahren hatte sie einen Unfall und musste als lebensrettende Maßnahme in eine Ganzkörperprothese transferiert werden, was für einen Menschen in dem Alter recht großen Stress bedeutet.

Daraus wird hier eine lahme „die erste ihrer Art“ Geschichte mit Selbstfindungs- und ein klein wenig Jesuskomplex. Als zusätzlicher Schlag gegen die Originalgeschichte ist der Antagonist nicht der bekannte Puppetmaster, eine sich ihrer selbst bewusst gewordene KI die nach höherem strebt, sondern ein früherer Versuch eine Kreatur wie den Major zu erschaffen der auf Rache aus ist. Das nimmt damit der Geschichte jegliche Originalität und wirft sie in den üblichen generischen Sumpf.

Wie angedeutet werden einige Szenen 1:1 übernommen wie die Actionszene mit den beiden vom Puppetmaster schon länger kontrollierten Müllmännern, die hier spontan via ihres Interface übernommen werden, dennoch mit einer ansprechenden militärischen Ausrüstung aus Waffen und Tarnmantel ausgestattet sind, denn so ein Müllwagen will ja auch verteidigt werden. Auch die weitreichende Umprogrammierung der Männer um Ihnen vorzugaukeln ihr Leben wäre ein völlig anderes während sie als Puppen für den Puppetmaster arbeiten, macht in diesem Kontext deutlich weniger Sinn.

Die Szene zu Anfang mit den Geisharobotern im Hotel ist aus dem zweiten Film, und das flehende „Hilf mir“ aus dem Roboter machte dort auch Sinn da es sich um den „Ghost“ eines entführten Kindes handelt das gezwungen wurde in dieser Hülle seinem neuen Meister zu dienen. Hier allerdings hat man wohl vergessen, dass ein derartiger Handlungsstrang nicht existierte und es dennoch drin gelassen.

Diese Szenen fügen sich nicht sauber in die Handlung ein und sind en Detail nicht schlüssig weil die gesamte Handlung drum herum nicht mehr die gleiche ist.

Der Major sagt auch nicht nach jeder Entscheidung den Satz ich bin der Major und bin Einverstanden, wie es in amerikanischen Wahlwerbevideos immer zu hören ist. Der Satz wurde aufdringlich immer wieder dazwischen geworfen um den „payoff“ von der Wissenschaftlerin „Dein Einverständnis war nie nötig“ zu ermöglichen. Warum das nun einen solchen narrativen Aufbau benötigte ist eines jener Geheimnisse welche die Macher des  Drehbuchs wohl mit ins Grab nehmen werden.

Wir erfahren, dass der Major nicht auf dem Behandlungstisch gelandet ist weil sie einen Unfall hatte, sondern weil sie als Ausreißerin zusammen mit anderen Kindern gekidnappt wurde, um sie für Experimente zu nutzen. Warum man dazu Kinder entführen muss während in Krankenhäusern sicher einige sichere Todeskandidaten bereit wären als letzte Chance freiwillig auf den Tisch zu klettern ist ebenso mysteriös wie die Frage warum sie überhaupt ausgerissen ist. Wenn der Film sie später ihre Mutter treffen lässt, ergibt sich das nächste große Fragezeichen.

Visuell versucht der Film die Stadt als 80er Jahre Cyberpunk Zukunftsvision darzustellen mit genügend Potential den Zuseher von der inkonsistenten Handlung im Vordergrund abzulenken.

Scarlett Johansson stapft wie ein Zombie durch die Handlung, wahrscheinlich vom Regisseur am Anfang einmal den Hinweis bekommen, du bist ein Cyborg, das so was ähnliches wie ein Roboter und Scarlett hat nur verstanden, ok, ich bin ein Roboter. Es ist mir ein Rätsel warum man hier keine bessere Schauspielerin finden konnte wenn man sie doch braucht um 80% der Handlung zu tragen. Jennifer Lawrence hatte wohl keine Zeit?

Die Nebencharaktere sind teilweise recht gut gelungen, allen voran Takeshi Kitano als Aramaki, der eine unglaubliche Präsenz ausstrahlte die auch nötig ist um diesem Charakter darzustellen. Überzeugend auch Pilou Asbæk als Batou der die Essenz dieser Figur hervorragend einfängt.

Es ist immer einfach zu sagen, sie haben das Original geändert und nun ist es Mist, hier muss man aber festhalten, sie haben das Original geändert und nun ist es Mist. Es fehlt jegliche Tiefe, die philosophischen Aspekte werden zur Seite gedrängt zugunsten einer schon 100 mal gesehenen Selbstfindungsstory der Protagonistin. Wo die Vorlage eine für unsere Zeit immer noch aktuellere, interessantere und innovativere Geschichte präsentiert, haben wir hier nur den üblichen Hollywoodeintopf. Ich empfehle das Original zu schauen und weit weg von diesem Machwerk zu bleiben.

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